Immer wieder trifft man im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen auf den englischen Begriff Spoonie. Dieser gehört zu einer Vielzahl unterschiedlicher Wörter, die chronisch Kranke für sich entwickelt oder mit einer neuen Bedeutung versehen haben, um ihre größten Hürden und Erfolge auszudrücken. Gerade, da man vielen chronisch Kranken auf den ersten Blick nicht ansieht, wie gesund sie tatsächlich sind, ist es eine der größten Herausforderungen außenstehenden Personen zu erklären wie es im Inneren tatsächlich aussieht. Die Formulierung Spoonie (oder Spoonie Life) ist nur einer dieser Begriffe, den man kennen sollte.
English version below
Auch wenn ich selbst seit sehr vielen Jahren zu der Gruppe der chronisch Kranken zähle, war mir der Begriff Spoonie lange Zeit fremd. Er war eine wahre Entdeckung für mich, da ich stets damit gehadert habe zu erklären, wie es ist mit dem Swyer-James-Syndrom zu leben.
"Sie verstehen nicht welche Freiheiten viele von uns verloren haben." Lisa Jacobsen von The Daily Migraine
Egal, ob die Erkrankung uns das gesamte Leben oder erst seit einiger Zeit begleitet, wir chronisch Kranken haben stets eins gemein: unser Alltag unterscheidet sich stark zu dem nicht erkrankter Menschen. Natürlich steht das immer im Verhältnis zum Ausmaß der Einschränkungen, aber ganz generell sehen sich die so genannten Spoonies (chronisch Kranke) zusätzlichen Herausforderungen gegenüber.
Um die Gefühle von Einschränkungen und Erschöpfungszuständen greifbarer und somit sogar messbar zu machen, erdachte Christine Miserandinos mittels ihrer "Spoon Theory" (zu Deutsch "Löffeltheorie") einen Weg, der eine ganz eigene Maßeinheit kreierte.
Hintergrund dieser Theorie war, dass Miserandinos, die selbst an der Krankheit Lupus leidet, sich irgendwann der Frage gegenüber sah wie sie einer Freundin erklären könnte wie das Leben mit Lupus ist. Da die reine Definition der Krankheit nicht widerspiegeln würde was es bedeutet sie und damit krank zu sein, legte Miserandinos eine Handvoll Löffel auf den Tisch vor ihnen und erklärte, dass jeder dieser Löffel die täglichen Energiereserven eines jeden Betroffenen beinhalte.
Bei dieser Betrachtungsweise werden Löffel wie wir sie aus dem Alltag kennen, also für jede noch so einfache Aktivität eingesetzt. Das bedeutet ein Löffel fürs Duschen, einer fürs Frühstücken und so weiter. Im Gegensatz zu Menschen ohne Erkrankung haben chronisch Kranke oftmals nur eine begrenzte Anzahl dieser Löffel zur Verfügung. Es gilt daher sich bereits vorm Aufstehen genau zu überlegen, welche Aktivitäten für welchen Löffel geplant werden und was am Tag nicht mehr machbar sein wird. Werden dann doch einmal mehr Löffel verbraucht, als zur Verfügung stehen, so kann dies tiefgreifende Folgen haben.
Was passiert, wenn keine Löffel mehr vorhanden sind?
Es kann immer mal vorkommen, dass man ein wenig übers Ziel hinausschießt und am Ende mehr Löffel (Spoons) verbraucht hat als zur Verfügung standen. Das ist im ersten Moment vielleicht nicht immer tragisch, aber natürlich hat es auf längere Sicht große Auswirkungen. Oftmals kann es dazu kommen, dass der betroffene Spoonie Tage später zu den kleinsten Aktivitäten nicht mehr imstande ist, da die Energiereserven aufgebraucht sind.
Dies ist auch der Grund, weshalb die Spoon Theory einfach auf jede erkrankte Person zutrifft und sich der Begriff zu einer normalen Umgangsformel unter den Spoonies entwickelt hat.
Sind die Energiereserven aufgebraucht, hilft oftmals weder ein Medikament oder eine entspannende Massage. Der einzige Ausweg sind Ruhe und Schlaf. Hierin zeigt sich die wahre Einschränkung chronisch Erkrankter. Durch den forcierten Shutdown entsteht oftmals das Gefühl der Isolation. Sich an einem Abend doch eher für das Bett und nicht für ein Treffen mit Freunden in der Bar ums Eck zu entscheiden, wird da schnell zur gezwungenen Gewohnheit.
Wie mit Schuldgefühlen umgehen?
Nicht jede außenstehende Person kann nachvollziehen, weshalb Spoonies sich manchmal spontan aus dem Alltag zurückziehen. Manchmal erzeugt dies dann auch das Gefühl sich rechtfertigen zu müssen und im Kopf kreisen Gedanken wie "Bin ich jetzt wirklich krank und erschöpft oder bin ich eigentlich nur faul?".
Die Erklärung anhand von simplen Löffeln verleiht der Krankheit und den Schmerzen deutlich mehr Ausdruckskraft und schafft es somit den chronisch Kranken eine Stimme zu geben. Sie haben ihre eigene Sprache und sind nicht länger isoliert, sondern umgeben voll vielen anderen, die vor den gleichen täglichen Herausforderungen stehen.
Der Begriff Spoonie hat mittlerweile seinen Weg in den alltäglichen Sprachgebrauch vieler chronisch Kranker gefunden und verbindet somit Menschen. Ein social movement der ganz eigenen Art.
English version
Spoonie Life - Dropping the last spoon
Again and again, in context of chronic illness you'll come across the term spoonie. This term belongs to a multitude of different words that chronically ill people have developed for themselves or have given them a new meaning in order to express their greatest barriers and successes. Especially, since many chronically sick people do not look sick at first glance, it's quite a big challenge to explain to outsiders how they feel inside. The term spoonie (or spoonie life) is just one of those terms you should know.
Even though, I have been among the group of chronically sick for many years, the term spoonie wasn't part of vocabulary for a long time. It was a real discovery for me, as I have always struggled to explain what it is like to live with the Swyer-James syndrome.
"They do not understand the freedoms many of us have lost." Lisa Jacobsen from The Daily Migraine
Regardless of whether the disease has accompanied us throughout life or only for some time, chronically sick people always have one thing in common: our everyday life is very different from that of non-sick people. Of course, this is always in relation to the extent of the restrictions, but in general, the so-called spoonies (chronically ill) face additional challenges.
In order to make the feelings of limitations and states of exhaustion more tangible and thus even measurable, Christine Miserandinos created her "Spoon Theory" that is a very own unit of measurement.
The background to this theory was that Miserandinos, who suffers from Lupus, at some point faced the question of how she could explain to a friend what life with Lupus looks like. Since the definition of the disease would not reflect what it meant to be sick, Miserandinos put a handful of spoons on the table in front of them and explained that each of these spoons contained a person's daily energy reserves.
With this approach, spoons as we know them from everyday life are used for every simple activity. That means a spoon for showering, one for breakfast and so on. In contrast to people without disease, the chronically sick often have only a limited number of these spoons available. It is therefore important to think carefully before getting up, which activities are planned for which spoons and what will no longer be feasible during the day. If more spoons are used than available, this can have far-reaching consequences.
What happens when there are no spoons left?
It can always happen that you overshoot the mark a little and have ended up using more spoons than were available. This may not always be tragic at first, but of course it has a big impact in the long run. It can often happen that the spoonie affected is no longer able to carry out the smallest activities days later because the energy reserves are exhausted.
This is also the reason why the Spoon Theory simply applies to every sick person and the term has become a normal manner among spoonies.
If the energy reserves are fully used, often neither a medication nor a relaxing massage helps. The only way to reset is rest and sleep. This shows the true limitation of chronically sick people. The forced shutdown often creates the feeling of isolation. Choosing to go to bed instead of meeting friends in the bar around the corner in one evening quickly becomes a forced habit.
How to deal with feelings of guilt?
Not every outsider can understand why spoonies sometimes spontaneously withdraw from everyday life. Sometimes this creates the feeling of having to justify yourself and questions like "Am I really sick and exhausted or am I just lazy?" are coming to the mind.
The explanation using simple spoons gives the illness and pain significantly more expressiveness and thus manages to give the chronically sick people a voice. They have their own language and are no longer isolated, but surrounded by many others who face the same daily challenges.
The term spoonie has now found its way into the everyday language of many chronically sick people and thus connects people. A very special kind of social movement.
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